Sickertest kritisch auswerten
Auswertung eines Sickertests bei oberflächennaher Versickerung
In einem Musterformblatt des Wasserwirtschaftsamtes Weilheim (Bayern, WWA Weilheim) wird die Anleitung für einen Versickerungstest mit Beispiel einer Auswertung gegeben (s. Abbildung). Das entspricht auch dem Formblatt des LK-Starnberg und anderen in Bayern.
Das Ergebnis der Absenkung wird hier über den Mittelwert (durchschnittliche Absenkung) der gesamten Versickerungsdauer errechnet: kf-Wert = 3,11*10-5 m/s. Meine Berechnung würde ein deutlich anderes Ergebnis liefern (s.u.), wobei die Versuchsbedingungen nicht vergleichbar wären.
Das WWA Weilheim wurde über meine Bewertung informiert und wird ggf. dazu eine Antwort geben.
Bewertung des Sickertests
Das abgebildete Beispiel hat für den Blogbetreiber einige problematische Punkte, auf die unten näher eingegangen wird. Es handelt sich um einen Sickertest, der mit diesen Daten keinen wirklich brauchbaren kf-Wert liefert (wahrscheinlich wurden die Absenkungen nur beispielhaft angenommen und sind nicht real gemessen).
Richtig durchgeführt und ausgewertet ist dennoch mit einer Versickerungsgrube ein brauchbares Ergebnis zu bekommen (s. meine Seite Sickertest).
Problempunke
- Wie erstelle ich eine 1 m tiefe Grube mit 50 x 50 cm Grundfläche?
- Die Messung bei „Vollfüllung“ der Grube von 1 m Wasserstand erfolgt wahrscheinlich auch im lockeren Bodenhorizont an der Oberfläche (i.d.R. ist Mutterboden vorhanden). Dadurch ergeben sich wahrscheinlich zu große Anfangswerte der Absenkung.
- Auch die deutliche Abnahme der Absenkung von 5 cm auf 1 cm während 60 Minuten (4×15-Minutenintervall) zeigt trotz langer Vorwässerung keine konstanten Verhältnisse und deutet auf das Problem mit der höheren Versickerung im Mutterboden hin.
- Eine Wiederholung der Messungen fehlt, sollte aber immer durchgeführt werden, bis Abweichungen bei gleichem Zeitintervall zu vernachlässigen sind (Wiederholung 1 bis 3 mal).
- Eine Auswertung über eine gemittelte Versickerungshöhe (= gesamte versickerte Wassermenge) erscheint problematisch, wenn die Messwerte im Verlauf der Versickerung noch stark abnehmen (hier sogar auf 1/5).
- Die Versickerung nach der einfachen Formel: kf = Q / (t * A) berechnet (Q aus der Grundfläche und der Absenkung berechnet), liefert generell ein zu gutes Ergebnis, da auch über die Seitenflächen der Grube ein Anteil versickert (A ist dadurch rechnerisch zu klein).
- Genauigkeit bei der Ergebnisangabe, Fehlerabweichung.
Bewertung der einzelnen Punkte
Zu 1. Grubengröße: Aus der Praxiserfahrung ist eine etwa rechteckige Grundfläche von ca. 30 bis 40 cm Breite und 50 bis 60 cm Länge durch Handgrabung mit dem Spaten möglich und wird empfohlen. Senkrecht abgestochene Seiten bis in eine Tiefe von ca. 20 bis 30 cm unterhalb des Mutterbodens (Gesamttiefe ca. 50 bis 60 cm) sind dabei anzustreben (für die Auswertung wichtig). Je tiefer die Grube wird, desto länger wird sie, damit die Handgrabung auch durchgeführt werden kann.
Zu 2. Messhöhe: Die Vorwässerung mit Wasserstand bei etwa 2/3 bis 3/4 der Grubentiefe kann zunächst auch bis in den Mutterboden hinein erfolgen. Die Messung der Versickerung erfolgt aber erst ab einem Wasserstand, der in der zu untersuchenden Bodenschicht unterhalb vom Mutterboden liegt (= späterer Versickerungshorizont unter z.B. dem Muldenoberboden). Es ist bei einem Ausgangswasserstand von max. 20 bis 30 cm auszugehen (s. Grubentiefe).
Zu 3. und 4. Messwerte: Bei richtiger Durchführung und mit ausreichender Vorwässerung sollten sich die Messwerte der Absenkung auch bei einer Wiederholung nur geringfügig unterscheiden (Schwankung im Bereich der Ablesegenauigkeit mit etwa < 5 % Fehler). Hier ist ggf. auf einen mm genau abzulesen. Die Zeiten sind dagegen recht einfach und genau einzuhalten.
Zu 5. Auswertung: Die Auswertung über die gesamte und daraus gemittelte Versickerungshöhe liefert, wie hier oben im Beispiel, bei mit der Zeit abnehmenden Messwerten der Absenkung einen zu guten kf-Wert. Dieses Vorgehen wäre nur bei annähernd gleichbleibender Absenkung genauer (s. auch Punkt 6.).
Zu 6. Versickerungsfläche: Nach der Formel für die erweiterte Versickerungsfläche mit den 4 versickernden Anteilen der Seitenflächen bei mittlerer Höhe des Wasserstandes: Aw = L * B + 2 * (L * hm + B * hm) und der Formel für den kf-Wert: kf = Q / (t * Aw) fällt das Ergebnis deutlich geringer aus, was aber auch im o.g. Beispiel durch die Versuchsverhältnisse bzw. Messwerte bedingt ist. Dazu mein realistisches neues Beispiel (s.u.).
Aw ist hierbei zu dem extremen obigen Beispiel von A = 0,25 m² auf 2,05 m² erhöht. Mit Aw = 2,05 m² ergibt sich: kf = 0,50 * 0,50 * 0,01 / (900 * 2,05) = 1,36*10-6 m/s, gerundet 1,4*10-6 m/s. Dieses Ergebnis ist durch die Versuchsbedingungen bestimmt nicht realistisch.
Zu 7. Fehlerabweichung: Wie hier im o.g. Beispiel sollte keine Genauigkeit auf eine 1/100 Stelle angegeben und dadurch vorgetäuscht werden. Rechnerich würde ein Ergebnis von 3*10-5 m/s noch im 10 % Fehlerbereich von ca. 2,8 bis 3,3*10-5 m/s liegen (+ 1 cm Abweichung bei der Gesamtabsenkung) und auch dann noch eine Genauigkeit vortäuschen. Denn dazu kommen noch die möglichen Abweichungen bei den Grubenabmessungen unten/oben von angenommen ca. 10 %, also sind schon hier bis zu 20 % Abweichung möglich.
Dagegen sind die methodische Fehler in den Messungen der Absenkung bei falschem, weil zu hohem Wasserstand im Mutterboden (?), und bei der nicht berücksichtigen Versickerung über die Seitenflächen von noch sehr viel größerer Bedeutung. Hier wirkt sich zunächst der sehr hohe Wasserstand auf Aw aus, d.h. die wirksame Versickerungsfläche nimmt dadurch über den Faktor 8 zu (> 800 %).
Die starke Abnahme der Absenkung von 5 auf 1 cm pro Messintervall wirkt sich zusätzlich negativ aus, so dass es insgesamt zu einem Unterschied bei der letzten Messung von 2290 % ergibt (Faktor 22,9). Daraus lässt sich nicht ableiten dass dieses Ergebnis der Realität entspricht, da es auch nicht durch weitere Messreihen bestätigt wurde.
Grafische Auswertung
In der Abbildung unten sind die Messwerte der Absenkung einzeln mit Aw ausgewertet und grafisch im Diagramm dargestellt (logarithmische y-Achse, erste Linie). Bei 60 + 2 Minuten ist zusätzlich der „bessere“ kf-Werte nach der „Mittelwertmethode“ mit der Grundfläche A in Rot dargestellt.
Mein Beispiel neu ausgewertet
In einem fiktiven neuen Beispiel soll gezeigt werden, dass die Abweichung bei einem realistischen geringeren Wasserstand und mit der Auswertung der wirksamen Versickerungsfläche Aw jetzt in einer Größenordnung von Faktor 2 bis 3 zur vereinfachten Grundflächenauswertung liegt und damit realistischer wird. Allerdings wird hier mit der höchsten Absenkung von 5 cm aus dem Beispiel gerechnet, die nicht den weiteren Messwerten entspricht. Mit diesen o.g. Messwerten kann also kein realistischer kf-Wert berechnet werden (s. unten).
Berechnungsdaten (neu)
- Grundfläche: L x B = 50 * 50 cm (A = 0,250 m²)
- Anfangswasserstand: ho = 20 cm (0,20 m)
- Messhöhe Wasserstand: ht = 15 cm (Absenkung 0,05 m)
- Messintervall: t = 15 min (900 s)
- mittlere Höhe: hm = (ho + ht) / 2 = 17,5 cm (0,175 m)
- Versickerte Wassermenge: Q = A * (ho – ht) = 0,25 * 0,05 = (0,0125 m3)
- wirksame Versickerungsfläche: Aw = 0,600 m²
Ergebnis, Auswertung
Der kf-Wert berechnet sich zu: kf = Q / (t * Aw) [m/s]
Aus der 1. Absenkung errechnet sich neu: kf = 0,0125 / (900 * 0,600 ) = 2,3*10-5 m/s (1. Wert der 2. Linie im Diagramm). Mit nur der Grundfläche A berechnet würde sich kf = 5,5*10-5 m/s ergeben (Faktor 2,4 = 240 %, nicht dargestellt).
Als Endwert mit der Absenkung von nur 1 cm (von 10 auf 9 cm) ergibt sich ein sehr geringer kf-Wert von: kf = 0,0025 / (900 * 0,440) = 6,3*10-6 m/s (Faktor 3,65 zum ersten Messwert, s. Diagramm, letzter Wert). Daher ist hier eine Mittelwertbildung nicht vorzunehmen (der Mittelwert als rotes Quadrat ist nicht verwendbar).
In der ersten Messreihe wurden die Absenkungen des WWA Weilheim mit der wirksamen Versickerungsfläche Aw ausgewertet (s. Diagramm 15 – 60 min.). Das Ergebnis liegt eine Größenordnung unter dem angegebenen Mittelwert (Ausgangshöhe war 1,0 m, daher sehr hohe Aw-Werte).
Die 2. Messreihe (Beispiel neu, 75 – 120 min.) wurde ab einer Ausgangshöhe von 20 cm mit gleichen Absenkungen auch mit Aw berechnet. Es ergeben sich jetzt deutlich „bessere“ kf-Werte, allerdings mit der schlechten Datenlage (keine Annäherung der Absenkwerte, keine Wiederholung der Messung).
Die dargestellten Berechnungen im Beispiel zeigen, dass die Annäherung an einen konstanten Endwert wichtig ist und bei den Messungen beachtet werden muss. Dieser Endwert, der durch Wiederholung zu bestätigen ist, ist dann für die weitere Auswertung und Berechnung anzusetzen (hier nicht möglich).
Fazit
Bei der Planung, Durchführung und Auswertung eines Versickerungsversuches/-tests ist besondere Beachtung auf 3 wesentliche Punkte zu richten:
- Grubenabmessungen und Versickerungshorizont
- kritische Bewertung der Messergebnisse
- Auswertungsmethode, Formel
Durch eine nicht geeignete Wahl der Tiefe der Grube/Wasserstandshöhe und mit einer einfachen Auswertung (Mittelwert der Absenkung, Grundfläche) kann das Ergebnis des daraus ermittelten kf-Wertes um Größenordnung falsch liegen und einen i.d.R. „zu guten“ kf-Wert liefern (s. Diagramm rotes Dreieck).
Der Versickerungstest ist zu wiederholen, um die Annäherung an einen Endwert zu bestätigen, ggf. mehrmals. Bei korrekter Durchführung und Auswertung mit Aw sind auch mit diesem einfachen Sickertest in einer kleinen Versickerungsgrube gute und brauchbare Ergebnisse zu erzielen. Dann kann sogar für die Dimensionierung der Versickerungsanlage der Korrekturfaktor für Feldmessungen von 2,0 angewandt werden. Die Fehlerabweichung sollte mit ca. 10 % im tolerierbaren Rahmen liegen. Ein Beispiel sehen Sie hier.
Hinweis: Weitere Anleitungen aus dem Internet mit einer Vergleichstabelle und Bewertung sehen Sie hier auf meiner Seite Versickerungstests.